Neudorfwiesen

Tafel „Neudorfwiesen“ (Anklicken für PDF-Datei)

Naturschutzgebiet Neudorfwiesen

Bei den Neudorfwiesen handelt es sich um ein fächerförmig angeordnetes, altes Wiesengebiet mit Quell- und Grabenbereichen, umsäumt von Waldflächen inmitten des Naturraums „Sandsteinspessart“. Die Wiesenflächen existieren bereits seit dem Mittelalter und sind schon lange für ihre Artenvielfalt bekannt. In früheren vegetationskundlichen Kartierungen konnten dort insgesamt über 200 Pflanzenarten nachgewiesen werden, unter denen sich einige nach den Roten Listen als in ihrem Bestand bedrohte Arten befinden. Zudem konnten faunistisch über 100 Tierarten nachgewiesen werden. Um den Erhalt der insbesondere floristischen Raritäten zu sichern und ihre Entwicklung zu fördern, wurde das Gebiet 1983 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Neudorfwiesen 2018

Hervorzuheben ist der Nachweis des Lebensraumtyps „Artenreicher Borstgrasrasen“ (LRT *6230) mit charakteristischen Pflanzenarten wie Borstgras (Nardus stricta), Wald-Läusekraut (Pedicularis sylvatica), Gewöhnliche Kreuzblume (Polygala vulgaris), Blutwurz (Potentilla erecta) und dem Hunds-Veilchen (Viola canina).
Zudem konnte der Lebensraumtyp der „Mageren Flachland-Mähwiesen“ (LRT 6510) mit charakteristischen Pflanzenarten wie Glatthafer (Arrhenatherum elatius), Acker-Witwenblume (Knautia arvensis), Wiesen-Margerite (Leucanthemum ircutianum), Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor), Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia) und Flaumiger Wiesenhafer (Helictotrichon pubescens) festgestellt werden.

Beide Lebensraumtypen sind als ursprünglich typische Grünlandgesellschaften Zeitzeugen der früheren Kulturlandschaft, die infolge von intensiverer Bewirtschaftung, Nutzungsaufgabe und der allgemein stark veränderten Lebensweise unserer Gesellschaft immer mehr zurückgegangen ist.
Aufgrund dieser nachgewiesenen Pflanzengesellschaften sowie auch der im Meldebogen aufgeführten Arten nach Anhängen der Fauna-Flora-Habitat- (FFH)- und Vogelschutzrichtlinie, insbesondere sind hier Grasfrosch (Rana temporaria) und Neuntöter (Lanius collurio) zu nennen, haben die Neudorfwiesen eine Bedeutung für das kohärente europäische Netzwerk besonderer Schutzgebiete (Natura 2000). Im Jahr 2008 wurde das Gebiet als FFH-Gebiet ausgewiesen.

Leitbild ist dabei ein weiträumiger, extensiv genutzter Wiesenkomplex, der durch gewachsene Heckenstrukturen gegliedert wird, ohne hierbei seinen Offenlandcharakter zu verlieren. Hierzu werden die Wiesenflächen ohne Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln gemäht, Gehölze abschnittsweise „auf Stock gesetzt“ sowie gegebenenfalls die Ausbreitung von Neophyten verhindert.

Quelle: Matthias Fink, Dezernat V 53.2 – Schutzgebiete und biologische Vielfalt, Regierungspräsidium Darmstadt

Grabung Eisenberg

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Archäologische Grabung: Eisenberg/Neudorfwiesen bei Steinau

Mittelalterliche Eisengewinnung im Nordspessart

Im Sommer 2018 wurde eine Archäologische Grabung zwischen Steinau und Marjoß, im Gebiet Eisenberg/Neudorfwiesen durchgeführt, um Antworten auf Fragen zur Eisenverhüttung in der Region und der ehemaligen Ortschaft Neudorf zu erhalten.

In Archiven ist die Quellenlage hierzu äußerst dürftig. Zur Eisenverhüttung konnte bis heute noch nichts gefunden werden. Zur Siedlung Neudorf sind einige wenige Archivalien vorhanden; Daten der Ersterwähnung 1167 und Nennung als Wüstung 1396 liegen vor 1. (1 Ernst Hartmann, Geschichte der Stadt und des Amtes Steinau Band 1, Herausgeber Stadt Steinau, Steinau 1971)

Auswertungen der Scherbenfunde aus der Grabung 2018 datieren die gleiche Zeit für die Eisenverhüttung – zumindest in den Grabungsbereichen. Wir befinden uns somit im Hoch- und Spätmittelalter.

Grabungsfläche Neudorfwiese

Allen regionalen Verhüttungsplätzen gemeinsam ist die Nähe zum Basalt. Der Basalt steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Vorkommen des abbauwürdigen Eisenerzes.

Basalt ist ein Vulkangestein – wie kommt dieses Gestein in den Spessart? Dazu müssen wir wohl 16 Mio. Jahre2 (Tertiär) zurück gehen. (2 Stefan Lang, Günter Seidenschwann in Jahresberichte Wetterauische Gesellschaft, Sonderband Tertiär, Hanau 2012 ) Eine Zeit, in der unsere Heimat eine relativ flache Fluss- und Seenlandschaft war. Der Vogelsberg, d. h. der Vogelsbergvulkanismus reichte bis in heutige Gebiete des Spessarts. Vermutlich durch lokale Schlote3 gelangte der Basalt an die Oberfläche und legte sich wie eine Decke über die vorhandene Landschaft. (3 Martin Okrusch, Beitrag in Spessartsteine von Joachim Lorenz, Verlag Helga Lorenz). Das anstehende Gestein, wie der Sandstein, flache Gewässer mit Sedimenten und Tonen wurde so vom Basalt der „Alsberger Decke“ (auch Alsberger Plateau, Alsberger Platte genannt) überlagert.

Erst später haben tektonische Vorgänge die Spessarthöhen gehoben und das Kinzigtal gebildet. Erosionsvorgänge taten ihr Übriges, um die heutigen Mittelgebirge zu formen.

Die Alsberger Decke reicht von Alsberg bis zum Katzenstein nahe des Bellinger Kreuzes. Das Grabungsgebiet Eisenkopf im Eisenberg liegt in dieser Basaltformation, das Gebiet der Neudorfwiesen aber nicht mehr.

Am Eisenkopf, sicherlich dem Zentrum der Steinauer Montanlandschaft, zeugen über 200 Pingen – die Eisenlöcher – von der ehemals regen Bergbautätigkeit.

Pinge

Eisen war kostbar und nur mit großem Aufwand und Spezialistenwissen zu gewinnen. Erz musste abgebaut und aufbereitet, Rennöfen mussten gebaut und zu deren Betrieb enorme Mengen Holzkohle herangeschafft werden. Das im Ofen gewonnene Material war noch kein nutzbares Eisen (wie heute aus Hochöfen), sondern musste erst geschmiedet werden, um Verunreinigungen (Schlacken, Holzkohle) zu entfernen, „auszutreiben“. 

Bei einer Abschätzung des Materialeinsatzes für das mittelalterliche Diethölztalrevier4 (Lahn-Dill-Gebiet), kommt man auf einen Bedarf in der Größenordnung von 40 kg Eisenerz und 60 kg Holzkohle, um 5 kg gereinigtes Eisen zu gewinnen. (4 Jockenhövel / Willms, Das Diethölztal-Projekt, Verlag Marie Leidorf GmbH, Rahden/Westf. 2005)

Alles in Allem handelte es sich um ein Unternehmen, das ein finanzielles Fundament benötigte, wie es im Mittelalter nur die Herrschaft und einige Adlige besaßen.

Am Eisenberg stellt sich die Frage, ob die Ortschaft Neudorf als landwirtschaftliche Siedlung oder zum Zweck der Eisengewinnung gegründet wurde. Wahrscheinlicher ist eine landwirtschaftliche Siedlungsgründung, die später ganz oder teilweise Siedlung der Eisenmacher wurde. Über welche Zeiten, d. h. eine oder mehrere Epochen, Eisen gewonnen wurde, gibt es noch keine Klarheit. Funde deuten darauf hin, dass die „Eisenmacher“ wohl auch bei den Verhüttungsplätzen gewohnt haben. Das Areal, heute romantisch im Wald gelegen, war zur Zeit der Eisenverhüttung weitgehend frei von Bäumen und glich wohl in großen Teilen wegen der Bergbautätigkeiten und rauchenden Rennöfen eher einem Schlachtfeld.

Schauofen am Tag der offenen Grabung

Während dieser Grabungskampagne 2018 wurden sieben Flächen geöffnet. Schwerpunkte waren die Öffnung einer Pinge (Schachtpinge, Abbauschacht), die Freilegung eines Verhüttungsplatzes mit Rennofen, der Nachweis menschlicher Besiedlung und ein Werkplatz.

Ausdauer forderte die Suche nach den Resten eines Rennofens von den Beteiligten. Erst gegen Ende wurden die Reste eines Ofens am Verhüttungsplatz, ein größtenteils aus Schlacke bestehendes Plateau, entdeckt. Der Ofen wurde, um ihn nicht zu zerstören, im Block geborgen: im Ganzen mit dem umliegenden Erdbereich. Hierzu wurde ein Gipskorsett um den Block gelegt, um ihn zu stabilisieren.

Fund Rennofen „in situ“

Die Untersuchungen auf der Neudorfwiese brachten Steinsetzungen eines Bauwerkes zutage, wohl die Reste eines Wohngebäudes oder eines Werkplatzes. Auffällig in diesem Gebiet waren noch weitere Steinsetzungen und Schmiedeschlacken. Schmiedeschlacken (Essen-Schlacken) sind der Hinweis darauf, dass das im Rennofen gewonnene unreine Eisen-/Schlackegemisch – die sogenannte Luppe – zumindest teilweise hier vor Ort veredelt wurde.
Beim Schmieden der Luppe platzt die Schlacke aus dem Gemisch, übrig bleibt das gereinigte Roheisen, das gehandelt wurde.

Möglich war diese archäologische Grabung nur durch das vielschichtige Engagement von Ehrenamtlichen sowie die Unterstützung durch Privatpersonen, Gewerbetreibende, Vereine, Hochschulen, Genossenschaften, Banken, Behörden und den Main-Kinzig-Kreis. Besonderen Dank gilt den politischen Gremien, dem Bauhof und der Stadtverwaltung der Stadt Steinau für die Unterstützung und als Hauptfinanzier.

Quelle: Dieser Beitrag ist ein Auszug aus gleichnamigem Artikel im Bergwinkel Boten 2020, S. 59 ff (Autor Rainer Geschwindner)

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